Zum sechsten Mal organisierte das Treppenlaufteam Radebeul am 17. / 18. April den härtesten Treppelauf der Welt.
Film anzusehen unter:
http://www.mdr.de/mediathek/fernsehen/5869234.html
Liest man sich die Ausschreibung durch bekommt ein Freizeitsportler schon mächtig Respekt. In einem Zeitfenster von 24 Stunden sind 84390 m bei 8848 Höhenmeter zu bewältigen. Anders beschrieben, bei einer Lauflänge von zwei Marathons wird der Mt. Everest bestiegen.
Wo liegt dieses Radebeul möchte bestimmt jetzt der interessierte Läufer wissen.
Radebeul ist eine Große Kreisstadt im Freistaat Sachsen. Sie ist nach Einwohnern die zweitgrößte und die am dichtesten besiedelte Stadt im Landkreis Meißen und gehört neben Pirna, Freital und Meißen zu den größten Mittelzentren des Ballungsraums Dresden.
Die Stadt Radebeul ist das Herzstück der Sächsischen Weinstraße, schmiegt sich eindrucksvoll an die Weinhänge der Lößnitz und dehnt sich bis hin zu den Auen der Elbe aus. Das Stadtbild ist geprägt durch üppiges Grün, sehenswerte Architektur, durch Kunst, Kultur und genussvollen Charme. Für Weinliebhaber ein Muss ist der Besuch des Weingutmuseums Hoflößnitz ebenso, wie der des Schloss Wackerbarth.
Viele Sportler hatten für die Schönheiten von Radebeul keine Zeit. Ihr Ziel war die Spitzhaustreppe mit ihren 397 Treppenstufen.
Sehend, Chef Christian Hunn im Mannschafszelt
Samstag um 14:30 Uhr fand die Starterbesprechung mit Ausgabe der Startnummern statt. Gestartet wurde pünktlich um 16:00 Uhr bei gutem Laufwetter mit Sonnenschein, aber trotzdem nicht zu warm.
Die Strecke führte zunächst 50 Meter leicht bergab…..
…….und biegt dann auf die Treppe mit besagten 397 Stufen hinunter.
Am Ende der Treppe biegt man nach rechts auf die Straße „Am Goldenen Wagen“ ein, diese führt ca. 150 Meter leicht bergab zur unteren Wende. Von hier geht es die gleiche Strecke zurück.
Schon nach der ersten Runde waren die Erinnerungen vom Jahr 2009 bei mir aufgefrischt, damals musste ich Verletzungsbedingt nach der 80 von 100 Runden den Lauf abbrechen. Nach 10 Runden machten sich die Waden bemerkbar, nach 20 Runden sah meine Planung eine größere Essenspause vor.
Das Verpflegungszelt mit den vielen netten „Mädels“ hatte ein reichliches Angebot zu bieten. Experimente mit der Verpflegung wollte ich nicht machen, was 2009 gut war sollte auch dieses Jahr funktionieren. Nudeln ohne Soße und Kaffee sorgten für ein gutes Bauchgefühl. Da das Massagezelt noch freie Liegen hatte lies ich mit die Waden durchgeknetet.
Mittlerweile ist es dunkel und kalt geworden. Wadenschonend lief ich jetzt langsamer die Treppe hinunter, immer mit den Hintergedanken sich nicht zu verletzen. Die nächste Pause vor Augen spielte in der 35 Runde meine Herzfrequenz „verrückt“ und ein Gedanke vom Aufgeben war sehr nahe. Die selbst verordnete Bettruhe von einer Stunde, ein Teller Nudeln und einen halben Liter Cola brachte mich wieder ins Rennen zurück.
Jetzt hatte ich meine komplette Winterbekleidung angezogen, genau das richtige bei den Temperaturen um Null Grad. Mit viel Frust und Ipod im Ohr gelangen mir jetzt richtig schnelle Runden, doch irgendwann kam die Erkenntnis das ich dieses Tempo nicht durchstehen konnte. Die nächste Essenpause kam gerade recht, jetzt war Zeit zum überlegen und eine neue Strategie musste her. Bis 6:00 Uhr laufe ich in einer Stunde ca. vier Runden und dann wird neu gerechnet.
Als die erste Drossel ihr Lied zwitscherte, es langsam heller wurde wachten auch die Lebensgeister wieder auf. Bei der Zeitnahme am oberen Wendepunkt schaute ich mir meine erreichten Rundenzahlen an. Beim Frühstück wurde gerechnet (Nudeln konnte ich jetzt nicht mehr essen, Toast mit Nutella und heißer Tee war mein Hit) und ich kam zu der Erkenntnis, dass das Ziel 100 Runden bis 16:00 Uhr noch zu schaffen sei. Es durfte nur nichts außergewöhnliches geschehen, über einen Massagetermin brauchte ich überhaupt nicht nachdenken, dafür war keine Zeit.
Ob sich die 57 Einzelstarter, die 3er Seilschaften, die Touristenstaffeln oder die Staffeln „11 Freunde müsst ihr sein“ Gedanken über die Treppe gemacht haben? Matthäus Daniel Pöppelmann hatte eine zu je 7 Stufen bei 52 Absätzen umfassende Jahrestreppe von der Hoflößnitz zu einem geplanten Lustschlösschen an der Kante der Wahnsdorfer Hochfläche für August den Starken entworfen. Sie sollte auf dem Wolframsdorfschen Weinberg gebaut werden, der 1710 in kurfürstlichen Besitz kam. Realisiert wurden nach Pöppelmanns Tod 1747–1750 sogar 390 Stufen, womit es sich um die größte barocke Treppenanlage Sachsens handelt, die auf 220 m Länge 76 m Höhe überwindet. Sie wurde 1845–1847 durch Landbaumeister Karl Moritz Haenel wiederhergestellt und 1992 umfassend saniert. Dabei wurde sie auf 397 Stufen erweitert
Zehn Stunden lang benötigte ich noch eine konstante Laufleistung und war schon ein wenig neidisch als der Schweizer Marco Summermatter nach 15:24:03 Stunden das Ziel erreichte. Das Wetter spiele mit, als die Treppe voll im Sonnenschein lag wurden die letzten trockenen Sachen angezogen. Nach harten Stunden der Zweifel, neuer Motivation durch Mitstreiter und Zuschauer, der 81 Runde als neuen persönlichen Rekord, der 90 Runde, totale Erschöpfung hinaufgehen und Erholung beim hinunterlaufen und dann doch das Erlebnis der 100 Runde die ich und alle anderen Sportler nie vergessen werden.
Im Ziel feierten die Zuschauer mit mir und da stand auch Christian Hunn, der perfekten Cheforganisator, und wartete auf mich. In 23:43:02 Stunden, ca.15 Liter Getränke, 13700 verbrauchte und zum Teil wieder zugeführte Kilokalorien war ich nur noch glücklich. Ich umarmen und bedankte mich schnell bei Christian um sehr schnell ein Feldbett auf zu suchen.
Eine halbe Stunde später fand mit der Siegerfeier noch einmal ein emotionaler Höhepunkt statt. Letztes Jahr hatte ich noch zugeschaut, jetzt stand ich oben bei den „Hundert Runden Läufer“, ein unbeschreibliches Gefühl.
Sportler, die einmal eine perfekte, organisierte etwas andere Laufveranstaltung besuchen möchte, in Radebeul findet ihr sie. Hier zählen nicht nur die Sieger, sondern jeder teilnehmender Sportler. Jeder Helfer ist einfach nur nett zu dir und versucht dich irgendwie in den 24 Stunden zu unterstützen.